Interim Manager zieht Bilanz!
Nicht nur Verbrennungsmotoren, Elektromobilität und Brennstoffzellen sind treibende Kräfte in der Automobilindustrie – auch Interim Manager gehören zu den wichtigen Motoren der Branche. Einer dieser starken Treiber, der sich seit drei Jahrzehnten im Automotive-Umfeld bewegt, ist Dietmar von Polenz. Der Diplom-Volkswirt ist seit 2009 Inhaber von Interim[4]Automotive, mit den Schwerpunktthemen Interim Management sowie Beratung, spezialisiert auf die Bereiche Produktion und Entwicklung. Im Interview mit division one spricht der Branchenkenner über Krisenvorboten, Chancen, Antriebe sowie Megatrends in der Automobilindustrie und, wie sich diese Themen auf das Interim Management auswirken.
Steckt die Automobilindustrie in einer Krise oder erleben wir aktuell eine Revolution der gesamten Branche?
Ein revolutionäres Umfeld ist sicherlich gegeben, von einer Krise würde ich in der Branchenbetrachtung (noch) nicht sprechen. Die Automobilbranche ist geprägt von Innovation und Herausforderungen, letztere waren noch nie größer als zum jetzigen Zeitpunkt. Neue Antriebstopologien, Elektrifizierung, Shared Mobility, Connectivity, assistiertes und autonomes Fahren wälzen die Branche gehörig um und rufen zusätzlich neue Wettbewerber auf den Plan. Dazu kommen Krisen-Brandbeschleuniger wie der Brexit, Zoll- und Handelskriege, Staatsverschuldung und Umsatzrückgänge, die den Weg in die Krise auslösen könnten.
Sehen Sie diesen Vorkrisenzustand als Chance oder Risiko?
Krisen sind immer Chancen und Risiken zugleich. Sollte es in den kommenden Jahren zu einer Notsituation kommen, wird vor allem die Anzahl der faulen Kredite steigen, sodass der finanzielle Rahmen auf Absatzmärkten schrumpft. All die neuen Technologien, die Elektroantriebe sowie die verschiedenen Stufen der Hybridisierung werden aus dem klassischen Verbrenner-Automobilgeschäft finanziert. Sobald die Krise eintritt und Budgets gekürzt werden, geht es darum zu priorisieren. Man kann sich dann nicht mehr erlauben, wie es heute der Fall ist, alles parallel zu entwickeln und in den Markt zu bringen. Bestimmte Antriebsarten und Techniken müssen in einer solchen Situation aus dem Entwicklungsportfolio gestrichen werden.
Welcher Antrieb wird aus Ihrer Sicht den zukünftigen Markt beherrschen?
Das muss man differenzieren. Es ist nicht nur Deutschland, sondern eine globale Industrie und ein globaler Markt. Daher geht es um die Entwicklung für den Weltmarkt. Je nach Länderbedarf werden bzw. müssen mehrere Antriebsvarianten vertreten sein. Dazu gehört weiterhin, für die nächsten 10-20 Jahre, der Verbrennungsmotor, insbesondere bei Nutzfahrzeugen. Dazu gehört auch eine milde Elektrifizierung: 48-Volt-Mild-Hybridantriebe werden der Stand der Technik sein. Weiterhin gibt es Plugin-Hybride, die in den Markt finden werden und voll elektrische Fahrzeuge. Schließlich muss man die Förderungs- und Gesetzespolitik der EU betrachten, die ja in den verschärften Abgaswerten nach 2025 erstmals nicht Technologie-offen ist, sondern Werte vorschreibt, die nur elektrisch zu erreichen sind. Dieses einseitige Einschreiten der Politik kann das Aus für die Brennstoffzelle bedeuten, für deren Wasserstoff-Infrastruktur in Europa keine tragfähige Zielvorgabe und Förderung erkennbar ist.
Als Interim Manager müssen sie anpassungsfähig sein – wie bewerten Sie die Anpassungsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie?
Die deutsche Automobilindustrie hat ihr Angebot an Elektromobilitätsprodukten sehr zögerlich in den Markt gebracht. Dies geschah aus der Angst vor dem „Overshooting“, sprich einem Überangebot an Elektrofahrzeugen, die am Markt keinen Absatz finden. Dieser Gefahr hat man, im Vergleich zu anderen Anbietern wie z.B. aus China, deutlich mehr Gewicht beigemessen. Die hohe Patentbilanz deutscher Systemlieferanten und OEM’s spricht jedoch nicht für einen technischen Rückstand der hiesigen Automobilindustrie. In naher Zukunft werden wir sehr viele neue Elektromobilitätsangebote von der deutschen Autoindustrie finden.
Welche Schritte müssen jetzt getan werden, um in der wettbewerbsstarken Branche weiterhin bestehen bzw. (wieder) erfolgreich sein zu können?
China hat den großen Vorteil, dass, durch die massive Förderung der Elektromobilität sowie den Wachstumsraten des Binnenmarktes, große Skaleneffekte realisiert werden. Diesen Skaleneffekt aus der Konsumenten Elektronik-Batteriefertigung können wir nicht aufholen – wir werden in den nächsten Jahren keine großen Fabriken für Batteriezellen in Europa vorfinden. Die Abhängigkeit zu den Zelllieferanten aus China, Korea und Japan wird daher weiterhin zu fast 100 % bestehen. Jedoch wird es Fabriken in Nähe der Fahrzeug-Montagewerke geben, die Batteriezellen zu Batteriepacks konfektionieren und zusammenbauen. Wenn es um die Wettbewerbsposition am Markt geht, hängt diese insbesondere von der Fähigkeit des Herstellers ab, welche Technologien zu welchem Preis angeboten werden können.
Wie wirken sich diese Megatrends der Automobilindustrie auf das Interim Management aus?
Die Expertise muss sich verändern. Ich selbst bin 2010 systematisch in das Thema Elektromobilität eingestiegen, habe 2011/12 die ersten Mandate in der Elektromobilität gemacht und seitdem mehrere Aufsätze in Fachmagazinen darüber verfasst.
Es ist definitiv ein Wachstumspotenzial für den Interim-Markt vorhanden, da die großen Themen der Automobilindustrie nicht allein von den Herstellern gemanaged und entwickelt werden können. Folglich entstehen Kooperationen, die eine schnelle Projektabwicklung in einer befristeten Zeitspanne erfordern. Das riecht förmlich nach Interim Management, denn hier ist man – insbesondere als Interim Management Provider - in der Lage sofort ein Team Hersteller-unabhängig und kurzfristig zu besetzen.
Für Personalberatungen bieten solche Kooperationen die Möglichkeit, mehrere Funktionen gleichzeitig in der Besetzung anzubieten – von den Finanzen, über die Entwicklung und den Einkauf bis hin zum Operational Management. Für Provider eine gute Chance Marktanteile zu gewinnen, die der Einzelmanager so nicht bedienen kann. Ein weiterer Ansatz sind Fachgruppen bei Interim Managern und Providern, um die richtigen Kooperationspartner zusammenzubringen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die DDIM (Dachgesellschaft Deutsches Interim Management) Fachgruppe Automotive, die mit aktuell 24 Mitgliedern die gesamte Wertschöpfungskette von der Entwicklung bis zum After Sales abdeckt.
Welche Kriterien muss ein Interim Manager erfüllen, um sich in der Automobilbranche behaupten zu können?
Mein Grundsatz lautet hier: „Der Pitch des Interim Managers muss immer die Lösung des Kunden sein.“ Der Manager akquiriert dann erfolgreich Mandate, wenn er nachweislich ähnliche Problemstellungen wie die des Kunden in vergangenen Projekten gelöst hat. Mit einer genauen Positionierung sollte man seine Expertise auf den Technologiefeldern hervorheben. Wer sich nicht frühzeitig auf diese neuen Technologien einstellt, Seminare besucht, Fachzeitschriften liest, Mandate in diesem Umfeld macht, der wird es schwerer haben sich zu vermarkten. Lorbeeren der Vergangenheit im Angebot werden Kunden zukünftig noch weniger beeindrucken.
Muss sich auch etwas an der Positionierung und dem Führungsstil von Interim Managern ändern?
Bei der Vermarktung werden digitale Medien und Soziale Netzwerke einen größeren Raum einnehmen. Netzwerkpflege ist ein weiteres wichtiges Thema, das sowohl Managern auf Zeit als auch Personalberatungen dabei unterstützt, Kooperationsanfragen schnell und solide mit den richtigen Spielern zu besetzen.
Das Thema Führung ist der Dreh- und Angelpunkt für den Projekterfolg. Nach 10 Jahren Erfahrung im Interim Management, würde ich behaupten, dass 70% aller Probleme in Mandaten auf Führungsdefizite zurückzuführen sind – selbst in sehr technischen Bereichen. Der Interim Manager, der während der Festanstellung und in Führungsmandaten Erfahrung gewonnen hat - was Voraussetzung für seine Berufsausübung ist - wird gut daran tun an seinen Führungsfähigkeiten zu arbeiten und zum anderen diese auch entsprechend in seiner Projektakquise darzustellen.
Das Führungsverständnis per se hat sich stark gewandelt. Es sind neue Generationen ins Berufsfeld gekommen, zudem ist die Welt volatiler, instabiler und agiler geworden. Agilität ist in der Führung von Menschen und Organisationen heutzutage mit einem höheren Stellenwert behaftet als es vor fünf oder zehn Jahren der Fall war. Das wirkt sich auch auf das Projektmanagement aus, insbesondere dann, wenn man viel mit Software zu tun hat. Wer dort die neuen Erprobungs- und Validierungsmodelle nicht beherrscht, wird Schwierigkeiten haben an neue Aufträge zu kommen.
Was sind Ihre Tipps für Neueinsteiger auf dem Interim-Markt?
Vorab sollte man ein klares Bild von seinem persönlichen Stärkenprofil haben. Eine gekonnte Selbstvermarktung durch einen professionellen Außenauftritt, regelmäßiges Netzwerken und gute Kommunikationsfähigkeiten gehören zum Einmaleins eines Interim-Profis. Diese wird ergänzt durch die Zusammenarbeit mit Interim Management Providern, die wie division one eine tragfähige Markt-Vernetzung und ein Qualitäts-gesichertes Pool-Aufnahmeverfahren haben.
Speziell die Branche Automotive ist eine hochintegrierte, hochspezialisierte sowie hochstandardisierte Industrie, d.h. in dieser Industrie kann nur derjenige erfolgreich sein, der die Standards und ihre ausgefeilten Logistikketten beherrscht. Anders als Kollegen in der Festanstellung werden Interim Manager nicht nach ihrem Potenzial beurteilt, sondern müssen im Moment der Präsentation mit ihrer Fachexpertise und ihrer Branchenerfahrung punkten. Schonfristen oder Zukunftsversprechungen zählen nicht, wenn es darum geht brennende Probleme schnell und nachhaltig zu lösen.